Blogreihe "Zwischen den Fronten" - Blogpost 6: Der Elefant im Raum
Im Schweizer Gesundheitswesen kennen wir das Problem: Es gibt einen Elefanten im Raum, über den wir kaum sprechen. Das ist nicht einfach der Mangel an Personal, sondern die stille Blockade, die entsteht, wenn nicht alle im Team ihr volles Potenzial ausschöpfen (wollen/können). Oft liegt es nicht am Willen, sondern an unklaren Abläufen, fehlender Unterstützung oder ungelösten Konflikten. Dieser Elefant bremst uns aus.

Was es uns kostet, wenn wir wegschauen
Wenn wir diese Blockade ignorieren, wird es teuer – und zwar für alle:
- Top-Leute gehen: Die Engagierten fühlen sich ungerecht behandelt, wenn sie die Last anderer mittragen. Sie suchen sich oft andere Stellen, wo ihr Einsatz geschätzt und die Arbeit fair verteilt wird. Das ist der grösste Verlust für uns. Das Phänomen Job-Hopping wird zur neuen Norm, denn eine Fluktuationsrate von 15-20% ist im Gesundheitswesen keine Seltenheit (Quelle: Die Kosten der Fluktuation von Krankenpflegern in Zahlen | Oracle Schweiz). Das Ersetzen einer Fachkraft kostet dabei bis zu 200% ihres Jahresgehalts, im Durchschnitt 6 bis 9 Monatsgehälter (Quelle: Die wahren Kosten der Fluktuation im Gesundheitswesen | Oracle Schweiz, Die tatsächlichen kosten der fluktuation - Randstad).
- Stimmung kippt: Frustration breitet sich aus. Wenn Probleme nicht gelöst werden, sinkt die Motivation im ganzen Team. Aus einst motivierten Gruppen werden Teams, die nur noch das Nötigste tun. Im schlimmsten Fall haben wir eine Gruppe die "innerlich gekündigt" hat.
- Qualität leidet: Wo es keine klare Linie gibt und nicht alle mitziehen, sinken Standards. Im Gesundheitswesen hat das direkte Folgen für Patienten und die Behandlungsqualität. Dies hat auch direkte finanzielle Auswirkungen: Studien zeigen, dass qualifizierte Pflege bis zu zwei Milliarden CHF an Gesundheitskosten einsparen könnte (Quelle: Die Beweise liegen auf dem Tisch: Pflege spart Milliarden - SBK). Eine unzureichende Besetzung kann zudem das Sterberisiko für Patienten erhöhen und zu längeren Spitalaufenthalten führen, was Akutspitäler jährlich 357 Millionen CHF kosten könnte (Quelle: Qualifiziertes Pflegepersonal verhindert hunderte Todesfälle und könnte Milliarden Gesundheitskosten einsparen - SBK). Auch in der Langzeitpflege gibt es ein Sparpotenzial von 1.5 Milliarden CHF, da 42% der Spitaleinweisungen durch mehr qualifiziertes Pflegepersonal vermeidbar wären (Quelle: Die Beweise liegen auf dem Tisch: Pflege spart Milliarden - SBK).
- Versteckte Kosten durch Stress: Stress am Arbeitsplatz verursacht in der Schweiz jährlich Kosten von geschätzt 4.2 Milliarden CHF (Quelle: Gesundheitskosten hoher Arbeitsbelastungen - SECO).
- Stille Blockade: Jede und jeder im Team spürt diese Ungleichheit. Die ungesagte Wahrheit wird zur Bremse. Der Elefant im Raum ist nicht zwingend eine Person, sondern die Blockade selbst, weil wir die Probleme nicht offen ansprechen und aktiv lösen.
Führung zeigen: für echte Veränderung
Es geht nicht darum, jemanden an den Pranger zu stellen. Es geht darum, ein Zeichen zu setzen, gegenüber den Menschen, die jeden Tag ihr Bestes geben. Als Führung müssen wir die Zukunft unseres Gesundheitswesens aktiv gestalten, auch wenn respektive gerade weil die Mittel knapper werden. Das heisst, wir müssen auch die unbequemen Wahrheiten ansprechen und konsequent handeln.
Und das gilt besonders für die Führungsebene: Manchmal ist der Elefant im Raum kein Team-Problem, sondern ein Führungsthema. Hier braucht es den grössten Mut zur Selbstreflexion: Bin ich selbst Teil der Blockade? Bin ich bereit, die nötigen Veränderungen an mir und in meinem Bereich vorzunehmen und mir auch externe Unterstützung zu holen, wenn nötig? Das ist der entscheidende erste Schritt zur Problemlösung.
Vorwärts statt Stagnation
Echte Veränderung braucht mehr als schnelle Notlösungen. Sie verlangt einen umfassenden Ansatz, der Probleme an der Wurzel packt und von Führung und Team gemeinsam getragen wird.
Klare Erwartungen formulieren
Das heisst: Schluss mit Unklarheiten und Rätselraten. Wir müssen genau definieren, was von jedem Teammitglied und jeder Funktion erwartet wird. Nur wenn die Erwartungen klar sind und die Abläufe transparent, können sich alle orientieren, Verantwortung übernehmen und ihr volles Potenzial einbringen. Klares Erwartungsmanagement und Kommunikation ist der erste Schritt zur Leistung.
Echte Unterstützung anbieten
Es reicht aber nicht, nur Erwartungen zu haben. Führung muss auch die nötige Unterstützung bereitstellen. Das bedeutet:
- gezieltes Empowerment statt Micromanagement
- die richtigen Tools und Ressourcen, um Fähigkeiten zu entwickeln und Probleme zu lösen
Denn wenn Menschen die Hilfe bekommen, die sie brauchen, können sie wachsen und ihre Leistung steigern.
Zeitpläne setzen und Konsequenzen ziehen
Fortschritt braucht Milestones und faire Beurteilung. Wir müssen klare Zeitpläne für Verbesserungen festlegen. Wenn sich trotz Unterstützung nichts ändert, müssen wir auch unbequeme, aber faire Entscheidungen treffen. Zögern schadet dem Einzelnen und dem ganzen Team. Es geht darum, Transparenz zu leben.
Das Team schützen
Ein einzelnes Problem kann die besten Leute kosten. Führung hat die Verantwortung, die engagierten und hochleistenden Mitarbeitenden aktiv zu schützen. Das heisst, ein Umfeld zu schaffen, in dem Leistung gewürdigt wird, Belastung fair verteilt ist und toxische Elemente keinen Platz haben. Nur so bleibt die Motivation hoch und das Team stark.
Die Zeit ist reif!
Wir können es uns nicht länger leisten, diesen Elefanten im Raum weiter zu ignorieren. Denn bereits in 4.5 Jahren, 2030, fehlen uns rein in der Pflege über 30'500 Fachpersonen! (Quelle: Personalmangel in der Pflege | PwC Schweiz) Es ist an der Zeit für mutige Führung. Packen wir die Herausforderungen gemeinsam an – mit klaren Ansagen, gezielter Unterstützung und dem Mut zur Konsequenz – trotz Fachkräftemangel. Nur so sichern wir die Zukunft des Schweizer Gesundheitswesens.
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Eine wichtige Anmerkung: ich bin weder Journalistin noch Wissenschaftlerin. Der Blog basiert auf meinen Erfahrungen und persönlichen Gedankengängen. Er erhebt keinen Anspruch auf fertige Lösungen oder was «Richtig und Falsch» ist, sondern soll zum Nachdenken anregen.
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