Blogreihe "Zwischen den Fronten" - Blogpost 8: Pflegeinitiative Etappe 2 finanzieren – drei unkonventionelle Ideen & die Bürokratie
Wie im letzten Blog Nr 7 zur «Pflegeausbildung» angekündigt, möchte ich heute meine Ideen zur Finanzierung der zweiten Etappe der Pflegeinitiative teilen – und zwar ohne den üblichen Reflex: «Das kostet mehr, also müssen Steuern oder Krankenkassenprämien steigen.»

Vorweg: Ja, der Bund hält fest, dass er hier nur einen «beschränkten Handlungsspielraum» hat (vgl. Artikel 117b BV). Faktisch bedeutet das: Die Kosten bleiben vor allem bei Krankenkassen, Kantonen und Gemeinden hängen. Der Föderalismus ist oft eine Stärke der Schweiz – aber gerade in solchen Fällen zeigt sich auch seine Schattenseite: viele Zuständigkeiten, viele Töpfe, wenig Effizienz. Umsetzung Pflegeinitiative (Artikel 117b BV)
Wenn ich meine Beobachtungen auf den Punkt bringe, dann sehe ich drei Dinge, die breite Zustimmung in der Bevölkerung finden:
- Wir wollen die Pflege stärken.
- Wir wollen keine höheren Krankenkassenprämien.
- Wir wollen nicht noch mehr Steuern.
Das wirkt zunächst widersprüchlich. Aber: Nur weil es komplex ist, heisst das nicht, dass es unmöglich ist. Die Frage lautet nicht, ob wir es finanzieren können – sondern wie?
Meine (Wunsch-)Antwort: Finanzierung über bestehende Bundes-Mittel
Im Jahr 2024 hatte der Bund ein Budget von über 84 Milliarden Franken. Geld ist also vorhanden, ungefähr in der gleichen Grössenordnung ging es 2025 weiter und ist auch für 2026 budgetiert – die Frage ist für mich eher, ob wir das Geld dort einsetzen, wo es für die Schweizer Bevölkerung den grössten Nutzen bringt. Natürlich könnte man jetzt einwenden: «So einfach ist das nicht – Gelder umschichten ist politisch kompliziert.» Das stimmt. Mir geht es aber nicht darum, einfache Antworten auf komplexe Fragen zu geben, sondern pragmatische und unkonventionelle Denkanstösse. Denn lieber diskutieren wir über konkrete Ideen, als die Verantwortung zwischen Bund, Kantonen und Krankenkassen endlos hin- und herzuschieben.
Kurze Anmerkung am Rande:
Wer sich durch die einzelnen Budgetposten arbeitet, merkt rasch: Übersicht zu gewinnen braucht viel Geduld. Und manchmal drängt sich die Frage auf, ob diese Intransparenz vielleicht auch «praktisch» ist – oder ob selbst die Verantwortlichen längst den Überblick verloren haben.
Wer sich aber trotzdem mal einen kurzen Überblick machen möchte, wie die finanziellen Mittel «erwirtschaftet» werden und wie sie im Anschluss wieder ausgegeben werden findet hier eine relativ einfache Übersicht von 2024: Einnahmen und die daraus resultierenden «Geld-Töpfe» sind hier: Ausgaben Und hier die Planung für 2026: Einnahmen
Drei pragmatische (aber durchaus unbequeme) Ideen
1. Pflege als Teil der zivilen Sicherheit
Budgettopf «Sicherheit» (6’889 Millionen, 8,2 %, Stand 2024)
Eine Armee ohne ein starkes Gesundheitssystem ist im Krisenfall wenig wert. Ob Pandemie oder Katastrophe – ohne genügend Pflegepersonal bleibt die beste Ausrüstung wirkungslos.
Darum: Nicht beim Militär kürzen, sondern im Bereich «Zivile Sicherheit» die Pflege mitdenken. Denn ein gut ausgebildetes Pflegepersonal ist genauso systemrelevant wie jede Waffe oder jedes Fahrzeug. Und um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht mir nicht darum, Militär und Pflege gegeneinander auszuspielen. Vielmehr sehe ich Sicherheit umfassend – ein funktionierendes Gesundheitssystem ist genauso wichtig wie militärische Verteidigungsfähigkeit. Wer das trennt, denkt zu kurz.
2. Migration und Integration gezielt nutzen
Budgettopf «Soziale Wohlfahrt» (29’433 Millionen, 34,9 %, Stand 2024) & Budgettopf «Beziehungen zum Ausland» (3’670 Millionen, 4,4 %, Stand 2024)
Der Bund gibt Milliarden für soziale Wohlfahrt und internationale Zusammenarbeit aus. Vieles davon ist sinnvoll, manches lässt sich aber auch hinterfragen. Warum nicht einen Teil dieser Gelder zweckgebunden in eine Integrationsoffensive für die Pflege investieren?
Konkret: Sprachkurse, Ausbildungsprogramme und gezielte Förderung von Menschen, die bereits in der Schweiz leben und hier arbeiten möchten.
Natürlich wird nicht jede Person mit Migrationshintergrund automatisch Pflegefachperson. Aber wenn Menschen die Motivation haben, hier zu arbeiten, ist es unsere Aufgabe, ihnen die notwendigen Sprach- und Fachkenntnisse zu ermöglichen. Das ist keine Utopie, sondern eine realistische Chance, gleichzeitig Fachkräftemangel und Integrationsfragen zu lösen. Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Wir lindern den Fachkräftemangel – und schaffen gleichzeitig echte Perspektiven durch erfolgreiche Integration. Aus meiner Sicht eine der wirksamsten Formen von Entwicklungshilfe. Könnte auch auf andere Berufsgruppen und Branchen ausgeweitet werden.
3. Föderalismus ja – aber effizient
Die Schweiz leistet sich 26 kantonale Gesundheitsverwaltungen – jede mit eigenen Abläufen, Formularen und Standards. Das kostet viel Geld und blockiert wertvolle Zeit. Ein Beispiel: Berufsausübungsbewilligungen (BAB). Diese betreffen nicht nur die Pflege, sondern auch Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Gesundheitsberufe. Heute muss das gleiche Verfahren in jedem Kanton erneut durchlaufen werden. In einem so kleinen Land ist das schlicht überholt. Eine einmalige Bewilligung mit gesamtschweizerischer Gültigkeit wäre effizienter und kostengünstiger.
Ein weiteres Beispiel sind Qualitätskontrollen: Hier geht es etwa um Betriebsbewilligungen von Pflegeheimen, Spitallisten oder andere Einrichtungen. Ja, diese Kontrollen sind nötig. Aber die Papierflut mit 26 unterschiedlichen Standards verschlingt tausende Arbeitsstunden, die am Patientenbett (und auch in anderen Gesundheitsberufen wie Medizin, Therapie etc.) fehlen.
Einheitliche, digitale Vorgaben wären sinnvoller.
Lösungen: BAB vereinheitlichen oder gar abschaffen, Administration digitalisieren und vereinfachen, zentrale E-Health-Plattform schaffen. Das spart Millionen – und bringt die Pflege (und andere Gesundheitsberufe) wieder dorthin, wo sie gebraucht werden.
Bürokratie: unser heimlicher Kostentreiber
Auch jenseits des Gesundheitswesens liessen sich Milliarden effizienter einsetzen. Allein der Bereich «Übrige Aufgabenbereiche» umfasst 8,2 Milliarden Franken. Dort findet sich ein bunter Strauss an Themen, bei dem man manchmal das Gefühl hat: Verteilung nach Lust und Laune.
Ich sage es bewusst pointiert: Im Gesundheitswesen werden wir seit Jahren mit «Lean Management»-Programmen geradezu «gequält». Immer wieder sollen Abläufe verschlankt, Prozesse gestrafft und Effizienz gesteigert werden – oft bis an die Schmerzgrenze.
Dann wäre es nur konsequent, diese «Disziplin» auch einmal konsequent auf die Verwaltung selbst anzuwenden. Ein Vorschlag dazu: eine jährliche «Lean-Challenge» für die Bundesverwaltung, bei der jede:r Mitarbeitende mindestens einen Vorschlag zur Vereinfachung einbringen muss. Das wäre ein sinnvoller Realitätscheck – und würde zeigen, dass Effizienz nicht nur ein Schlagwort für das Gesundheitswesen ist.
Und ein ganz konkreter Vorschlag, welcher ich bereits fürs KMU Parlament eingereicht habe:
Ein zentrales, digitales Fast-Track-Verfahren für die Anerkennung ausländischer Diplome, Aufenthaltstitel und Arbeitsbewilligungen in systemrelevanten Berufen. Denn Fachkräftemangel ist nicht Theorie, sondern tägliche Realität – und lange Fristen sind ein hausgemachtes Problem.
Persönliches Engagement
Genau aus diesen Gründen engagiere ich mich im diesjährigen KMU-Parlament.
Denn es braucht Stimmen, die den Finger auf die Wunde legen:
- mehr Pragmatismus
- mehr "Out of the box"
- weniger Bürokratie
- eine verantwortungsvollere Finanzpolitik
Mehr zum KMU Parlament: SEF | Die führende Wirtschaftskonferenz der Schweiz
Fazit
Natürlich: So einfach ist es nicht. Genau deshalb sage ich es offen: Meine Vorschläge sind nicht die schnelle Lösung von heute auf morgen. Aber sie zeigen, dass es Spielräume gibt – wenn wir alle bereit ist, "alte" Gewohnheiten zu hinterfragen.
Wer nur sagt «das geht nicht», blockiert die Debatte. Wer sagt «lasst uns darüber reden», bewegt sie nach vorne.
Mein Appell an die Politik: Geht sorgfältiger mit unseren Steuergeldern um. Denn während jeder Pflegefranken umkämpft ist, werden gleichzeitig Millionen für Dinge ausgegeben, deren Nutzen mehr als fraglich ist.
❗ Eine wichtige Anmerkung: ich bin weder Journalistin noch Wissenschaftlerin. Der Blog basiert auf meinen Erfahrungen und persönlichen Gedankengängen. Er erhebt keinen Anspruch auf fertige Lösungen oder was «Richtig und Falsch» ist, sondern soll zum Nachdenken anregen.
Möchtest du uns unkompliziert kennenlernen?
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